Digitale IdentitätBundesregierung lässt sich Zeit mit dem elektronischen Personalausweis

Nur mit einem Taschenspielertrick gelang es der Bundesregierung, die Nutzungszahlen des elektronischen Personalausweises zu erhöhen. Hindernisse, die dem Vorhaben im Wege stehen, geht sie indes nur im Schneckentempo an.

Schnecke auf einem Brett
Das Bundesinnenministerium prüft die Komplexität. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Alexas_Fotos

Die Nutzung des elektronischen Personalausweises (ePerso) geht weiterhin nur schleppend voran. Die Antworten auf zwei schriftliche Fragen der Linkspartei-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg zeigen, dass sich die Bundesregierung viel Zeit lässt, um die grundlegenden Probleme des mehr als zehn Jahre existierenden Systems anzugehen. Schon im Januar hatte netzpolitik.org berichtet, dass es den beteiligten Ministerien an einer einheitlichen Strategie bei der digitalen Identität fehlt.

Als eines der Hindernisse beim elektronischen Personalausweis gilt die Quasi-Monopolstellung der Bundesdruckerei. Sie gibt die Zertifikate aus, die für Anwendungen des ePersos erforderlich sind und für welche die Unternehmen viel Geld bezahlen müssen. Im Januar hatte das Bundesinnenministerium (BMI) gegenüber netzpolitik.org gesagt, dass es die Kostenstruktur prüfen wolle.

Laut der Antwort auf die erste der beiden schriftlichen Fragen (PDF) von Domscheit-Berg ist das BMI inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass eine „Neugestaltung des Kostenmodells im Bereich Berechtigungszertifikate bis hin zur kostenlosen zur Verfügungstellung“ die Attraktivität des ePerso langfristig steigern würde. Aus diesem Grund erwägt der Staat laut BMI entstehende Kosten für Unternehmen fortan subventionieren.

Das wird allerdings dauern. Denn „auf Grund der Komplexität der Thematik“ sei eine kurzfristige Umsetzung nicht zielführend, heißt es weiter in der Antwort. Angepeilt sei diese erst für Mitte des Jahres 2024. Domscheit-Berg geht das zu langsam. „Fast ein Jahr nach Feststellung der verschiedenen Barrieren für Anbieter des ePersos als eID Option ist immer noch vor allem von Plänen, Konzepten und Prüfungen die Rede“, sagt die Digitalpolitikerin. „Die Mühlen der Verwaltungsdigitalisierung mahlen wirklich langsam im Bund“, so Domscheit-Berg weiter.

Kampagne irgendwann dieses Jahr geplant

Ein weiteres Problem ist – neben den teuren Zertifikaten und fehlenden nützlichen Anwendungen – vor allem die geringe Bekanntheit des Verfahrens bei den Bürger:innen. Bisher bewirbt das BMI die Ausweis-eID eher verhalten und vor allem nur bei Behördenmitarbeiter:innen, zum Beispiel bei einer „Roadshow in Ratzeburg“.

Der Antwort auf die zweite schriftliche Frage (PDF) zufolge will das BMI „noch im Jahr 2023“ eine „bundesweite, crossmediale Kommunikationskampagne“ umsetzen, die den Online-Ausweis bei den Bürger:innen bewerben soll. Die Kampagne soll laut einer Sprecherin des Innenministeriums insgesamt eine Million Euro kosten und ein Jahr lang andauern. Domscheit-Berg sagt,  es dauere so lange, weil die Ampel sich nicht entscheiden könne, welche Ausweis-App sie bewerben wolle.

In der Antwort verweist das Innenministerium auch auf steigende Nutzer:innenzahlen des ePerso. Verantwortlich dafür ist allerdings eine Art Taschenspielertrick, bei dem die Bundesregierung eine „Einmalzahlung“ an Studierende an die Nutzung des elektronischen Ausweises knüpfte. So konnten die Nutzer:innenzahlen im vergangenen März auf etwa 2.700.000 erhöht werden – fast acht Mal mehr als im Vorjahr, was das BMI als Erfolg seiner Bemühungen verkauft.

Auf diesen Zahlen ruhe sich die Ampel nun aus, sagt Domscheit-Berg. „Das klingt leider auch nicht danach, als hätte man verstanden, dass sich schnellstmöglich an den Strukturen etwas ändern muss, will man dem elektronischen Personalausweis endlich zum Durchbruch verhelfen.“

12 Ergänzungen

  1. Vermutlich will man hier sehr gründlich vorgehen, und kein PR-Debakel riskieren, beim auskärchern jeglicher potentiell anonymer Bestandteile.

  2. ePerso ist genauso ein Hirngespinst wie der digitale Führerschein. Zuerst einmal muss die Bundesregierung beweisen, dass sie vertrauenswürdig ist. Das wird so schnell oder gar nicht passieren. Und dann steht die Frage im Raum, ob es das Smartphone auf immer und ewig geben wird. Ich denke es wird langfristig sterben, wie der Walkman, iPod, Gameboy usw. Irgendwie Unsinn auf eine solche Technologie zu setzen.

    1. Ich würde sogar sagen der Bund hat eindeutig bewiesen, dass er NICHT vertrauenswürdig ist und z.B. aktuell biometrische Daten einfach ohne Gegenleistung an Schurkenstaaten wie die USA und ihre freidrehenden Geheimdienste verteilt. Angesichts des aktuellen und vergangenen Verhaltens des Bundes und der Länder ist die einzig vernünftige Vorgehensweise dem Staat ausschließlich Informationen zu geben die man bereit ist zu veröffentlichen und staatliche Identifikationssysteme ausschließlich für digitale Behördengänge zu nutzen.

  3. Man konnte die Einmalzahlung nur mit BundID Konto beantragen. Mit einer PIN und ohne ePerso. Daten zur Registrierung eintragen und losgings.
    Eine PIN und eine weitere Nummer gab es von der Hochschule und damit gings auch ohne Perso/ePerso.

    Zählt das dann auch zu den gestiegenen Nutzerzahlen des ePerso obwohl ich meinen Perso nie in der Hand hatte und ePerso bewusst keine Option war?
    Das würde, wenn dann, eine Verzerrung der Zahl bedeuten.

  4. Der ePerso ist eine Möglichkeit zur Anmeldung bei BundID bzw. den entsprechenden Landesportalen, mit dem höchsten Vertrauensniveau. Gleichzeitig kann man sich dort auch mit ELSTER-Zertifikat oder Nutzername/Passwort (sprich: E-Mail-Adresse) anmelden, dann allerdings auf geringeren Vertrauensniveaus.
    Hilfreich für die Bekanntheit und Nutzbarkeit des gesamten Systems wäre vielleicht auch, dass man nicht nur das höchste Vertrauensviveau sinnvoll nutzen kann, sondern bspw. für eine Auskunft (oder in Berlin für einen der schwierig zu bekommenden Bürgeramtstermine) die einfache Identifizierung mittels E-Mail reicht.

    1. >>…, sondern bspw. für eine Auskunft (oder in Berlin für einen der schwierig zu bekommenden Bürgeramtstermine) die einfache Identifizierung mittels E-Mail reicht.

      Eine Identifizierung für eine Auskunft oder für einen Bürgeramtstermin ist völlig übertrieben. Das muss auch ohne vollständige Identifizierung gehen. Darauf hat man ein Recht.

  5. Na das ist doch irgendwo erfreulich. Noch schöner wäre natürlich überhaupt keine Digitale Identität-

    Denn Digitale Identitäten“sind schließlich eine ganz ganz schlechte Idee, die, egal mit welchen tollen Versprechungen und Absichtserklärungen sie eingeführt werden, letzten Endes nur als Kontroll- und Überwachungswerkzeug dienen, die beständig erweitert und an die autoritären Vorstellungen von Innenminister*innen und die Profit- und Ausbeutungsinteressen von Konzernen angepasst werden. Für eine antihumanistische Scoring-Gesellschaft sind Digitale Identitäten natürlich unverzichtbar. Eine aufgeklärte Gesellschaft würde so etwas hingegen gar nicht akzeptieren oder überhaupt entwickeln lassen.

  6. Dem „Elektronischen Personalausweis“ wie auch anderen digitalpolitischen Vorhaben wird man nur dann zum Durchbruch verhelfen, wenn:

    – an allererster Stelle der Datenschutz und die Datensicherheit stehen und
    – diese in ALLEN Behörden zum Standard(ziel) erklärt werden, das
    – NUR durch Abkehr von Microsoft/Apple bzw. proprietären Systemen erreicht bzw.
    – durch Installation freier, grundsätzlich codetechnisch nachvollziehbarer Open Source-Software realisiert wird und
    – nicht die Bürger als permanentes Überwachungsobjekt (egal durch wen), sondern als mündige Individuen betrachtet werden, die stets die oberste Hoheit über die Preisgabe ihrer Daten gegenüber Dritten behalten!

    Aber man will ja, wie die jüngsten Artikel auf Netzpolitik zeigen, lieber kontrollieren, bürokratisieren und Vertrauen verspielen! Daher sehe ich digitalpolitisch schwarz, aber keineswegs rot/grün oder gar orange…

  7. Es ist eine reichlich anachronistische Vorstellung, dass ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland die geeignete und relevante Instanz sein sollte, um den Bürger*innen eine sog. digitale Identität zu stiften; zumal mit einem analogen Plastikkärtchen. Das was eigentlich unter digitaler Identität zu verstehen ist, entzieht sich dem „Hoheitsbereich“ des analogen Nationalstaates, welcher ja weiter eher in Kategorien, wie Geburtsorten, Melderegistern und kommunal/föderalen Zuständigkeiten denkt und damit verharrt. Unsere tatsächliche Digitale Identität wird vielmehr gestiftet durch und aus den Daten, welche die digitalen Plattformen und Konzerne von uns erheben, verwalten, verkaufen etc. – das ist unser digitales ICH. Man möge endlich mal anerkennen, wer die tatsächlichen Hoheitsräger im digitalen Raum und damit unserer digitalen Lebenswirklichkeit sind.

  8. Saartoshi: „Man möge endlich mal anerkennen, wer die tatsächlichen Hoheitsträger im digitalen Raum und damit unserer digitalen Lebenswirklichkeit sind.“

    Ich würde eher „wahrnehmen“ statt „anerkennen“ sagen, denn letzteres beinhaltet irgendwie auch „akzeptieren“. Das aber ist der falsche Weg, denn dieses „digitale Ich“ ist dann kein richtiges.

    Das „(Digitale) ICH“ muss immer definitionsgemäß vom Bürger selbst über sich, niemals jedoch über eine staatliche oder wirtschaftlich orientierte Institution definiert werden.

  9. >>> Bundesregierung lässt sich Zeit mit dem elektronischen Personalausweis

    Und das ist gut so. Ich brauche keine digitale Identität.
    Und schon der Anschein von leichtem Nudging oder gar Zwang bewirkt Widerstand.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.